Arbeitsrecht

Abmahnung erhalten: Was tun und welche Konsequenzen drohen?

Nahaufnahme eines orangefarbenen Warnlichts auf einer schwarzen Halterung, vor einem wolkigen Himmel.
Dr. Sener Dincer
18.09.2024

Eine Abmahnung im Job trifft oft unerwartet und sorgt für Verunsicherung: Was bedeutet das für mich? Ist meine Kündigung schon vorprogrammiert? Oder kann ich mich dagegen wehren? Die gute Nachricht ist: Nicht jede Abmahnung ist berechtigt und Sie haben das Recht, diese zu prüfen und, wenn nötig, diese aus der Personalakte entfernen zu lassen.

Inhaltsverzeichnis

Abmahnung erhalten: Was bedeutet das und welche Konsequenzen drohen?

Eine Abmahnung zu erhalten, stellt für viele Arbeitnehmer eine ernste und oft unerwartete Herausforderung da. Wichtig ist, zunächst Ruhe zu bewahren. Denn grundsätzlich dient die Abmahnung "nur" als Warnung: Der Arbeitgeber teilt Ihnen mit, dass Ihr Verhalten nicht den vertraglichen Erwartungen entspricht und fordert eine Verhaltensänderung. Gleichzeitig wird die Abmahnung in Ihrer Personalakte vermerkt, was langfristige Auswirkungen auf Ihre Karriere haben kann.

Insgesamt dürfte jede Abmahnung eine Belastung sein. Doch auch insoweit sollte man zunächst Ruhe walten lassen: Nicht jede Abmahnung ist rechtmäßig. Es gibt Fälle, in denen der Arbeitgeber formelle oder inhaltliche Fehler macht. Manchmal sind die Vorwürfe auch schlicht ungerechtfertigt. Dann ist es entscheidend, die Abmahnung zu prüfen , um die Situation richtig einzuschätzen und gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten.

Funktionen und rechtliche Bedeutung der Abmahnung

Eine Abmahnung im Arbeitsrecht hat also zwei zentrale Funktionen:

  1. Warnfunktion: Der Arbeitnehmer wird auf ein konkretes Fehlverhalten hingewiesen und aufgefordert, dies zu ändern. Gleichzeitig wird ihm angedroht, dass bei einem erneuten Verstoß eine Kündigung folgen kann.
  2. Dokumentationsfunktion: Für den Fall, dass es später zu einem Kündigungsschutzprozess kommt, dient die Abmahnung als Beweis dafür, dass der Arbeitgeber die Kündigung nur als letztes Mittel eingesetzt hat.

Sollte der Arbeitnehmer das in der Abmahnung gerügte Verhalten erneut zeigen, kann der Arbeitgeber dies als Begründung für eine verhaltensbedingte Kündigung heranziehen. Dabei kommt es immer darauf an, ob die Abmahnung berechtigt und verhältnismäßig war.

Rechtliche Verpflichtungen des Arbeitnehmers: Leistungserbringung und Abmahnungen bei Verstößen

Ausgangspunkt einer jeden Abmahnung sind die rechtlichen Verpflichtungen des Arbeitnehmers. Denn nur, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten nicht erfüllt, kann der Abreitgeber auch wegen einer entsprechenden Pflichtverletzung eine Abmahnung aussprechen.

Die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 611a BGB. Die Hauptpflicht des Arbeitnehmers ist die Erbringung der vereinbarten Arbeitsleistung. Diese Pflicht kann jedoch durch verschiedene Quellen wie Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder das Weisungsrecht des Arbeitgebers ergänzt und konkretisiert werden. Gleichzeitig gibt es Schutzgesetze wie das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) oder das Mutterschutzgesetz (MuSchG), die die Pflichten des Arbeitnehmers begrenzen.

Die Qualität und Schnelligkeit der Arbeitsleistung richtet sich nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Das bedeutet: Wer überdurchschnittlich leistungsfähig ist, muss auch überdurchschnittliche Leistungen erbringen. Umgekehrt gilt, dass nur die Leistung verlangt werden kann, die der Arbeitnehmer bei angemessener Anstrengung dauerhaft erbringen kann, ohne seine Gesundheit zu gefährden. Hält ein Arbeitnehmer bewusst seine Arbeitskraft zurück, kann dies eine Verletzung der Arbeitspflicht darstellen und eine Abmahnung rechtfertigen.

Low Performance und Abmahnungen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat klare Maßstäbe zur Abgrenzung zwischen verhaltensbedingter Pflichtverletzung und personenbedingter Minderleistung entwickelt. Der Arbeitgeber kann eine Abmahnung aussprechen, wenn er darlegen kann, dass die Leistung des Arbeitnehmers deutlich hinter der durchschnittlichen Leistung vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleibt. In solchen Fällen muss der Arbeitnehmer tätig werden und seinerseits darlegen, warum seine Leistung dennoch seiner persönlichen Leistungsfähigkeit entspricht. Bleibt der Arbeitnehmer hinter diesen "sekundären Darlegungslast" zurück, kann die Abmahnung gerechtfertigt sein und möglicherweise zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen.

Gründe für eine Abmahnung

Eine Abmahnung kann aus verschiedenen Pflichtverletzungen ausgesprochen werden. Häufige Gründe sind:

  • Unpünktlichkeit: Wiederholtes Zuspätkommen oder unentschuldigtes Fehlen am Arbeitsplatz.
  • Arbeitsverweigerung: Wenn ein Arbeitnehmer Weisungen des Arbeitgebers nicht befolgt oder Aufgaben verweigert.
  • Schlechtleistung: Anhaltend mangelhafte Arbeitsleistung trotz Aufforderung zur Verbesserung.
  • Verstöße gegen betriebliche Regeln: Missachtung von Sicherheitsvorschriften, Arbeitsanweisungen oder betrieblichen Richtlinien.
  • Unangemessenes Verhalten: Beleidigungen, Mobbing oder unangemessenes Verhalten gegenüber Kollegen, Vorgesetzten oder Kunden.
  • Missbrauch von Betriebsmitteln: Unbefugte Nutzung von Firmeneigentum für private Zwecke oder Diebstahl.
  • Verstöße gegen die Schweigepflicht: Weitergabe von vertraulichen Informationen an Dritte.
  • Alkoholkonsum oder Drogen am Arbeitsplatz: Konsum oder Beeinflussung durch Substanzen während der Arbeitszeit.
  • Internet- und Computer-Missbrauch: Privatnutzung des Internets oder Firmencomputers entgegen betrieblicher Vorgaben.
  • Nebentätigkeiten ohne Genehmigung: Ausübung einer Nebenbeschäftigung, die den Interessen des Arbeitgebers widerspricht oder ohne erforderliche Zustimmung.

Diese Vergehen können je nach Schweregrad und Häufigkeit eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung nach sich ziehen. Es ist daher wichtig, jede Abmahnung ernst zu nehmen und im Zweifelsfall rechtlich prüfen zu lassen.

Voraussetzungen und mögliche Fehler bei Abmahnungen

Selbst wenn eine Pflichtverletzung vorliegen sollte, muss eine Abmahnung bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um rechtlich wirksam zu sein:

  1. Konkrete Beschreibung des Fehlverhaltens: Das Fehlverhalten muss detailliert beschrieben werden, einschließlich des Datums und der genauen Umstände.
  2. Klarheit und Verständlichkeit: Die Abmahnung muss verständlich und eindeutig formuliert sein, damit der Arbeitnehmer weiß, welches Verhalten er ändern soll.
  3. Verhältnismäßigkeit: Eine Abmahnung darf nicht unverhältnismäßig sein. Kleinere Verfehlungen, wie das einmalige Überziehen der Pause, rechtfertigen in der Regel keine Abmahnung.

Es kommt vor, dass eine Abmahnung unwirksam ist, weil sie unzureichend formuliert wurde oder der Arbeitgeber nicht alle Voraussetzungen eingehalten hat. In solchen Fällen haben Sie das Recht, die Abmahnung zu rückweisen und zu verlangen, dass sie aus der Personalakte entfernt wird.

Wie kann ich gegen eine Abmahnung vorgehen?

Wenn Sie eine Abmahnung erhalten haben, gibt es mehrere Schritte, die Sie unternehmen können, um sich zu wehren. Zuerst sollten Sie die Abmahnung von einem Rechtsanwalt für Arbeitsrecht prüfen lassen. Es könnte sich herausstellen, dass die Abmahnung inhaltlich nicht korrekt ist oder der Arbeitgeber die formellen Voraussetzungen nicht eingehalten hat.

Wann sollte man nicht sofort handeln?

Es ist nicht immer ratsam, gegen eine formell unrichtige, aber inhaltlich berechtigte Abmahnung sofort vorzugehen. Der Arbeitgeber könnte daraufhin lediglich die formalen Fehler korrigieren und eine neue, rechtlich einwandfreie Abmahnung aussprechen. Diese könnte später für eine Kündigung verwendet werden. Daher ist es wichtig, die Strategie sorgfältig zu planen, bevor Sie eine Entscheidung treffen.

Mögliche Schritte gegen eine Abmahnung:

  • Schriftliche Gegendarstellung: Sie können gemeinsam mit Ihrem Anwalt eine schriftliche Stellungnahme verfassen und Ihre Sicht des Vorfalls darlegen. Diese Gegendarstellung kann auch die Forderung beinhalten, dass der Arbeitgeber die Abmahnung aus Ihrer Personalakte löscht, wenn sie unberechtigt ist.
  • Betriebsrat einbeziehen: Wenn in Ihrem Unternehmen ein Betriebsrat existiert, können Sie diesen um Unterstützung bitten. Der Betriebsrat ist verpflichtet, Ihre Anliegen zu vertreten und gegebenenfalls mit dem Arbeitgeber über die Abmahnung zu sprechen. Oftmals ist dies eine Möglichkeit, den Konflikt auf betrieblicher Ebene zu lösen.
  • Gerichtliche Schritte: Wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und die Abmahnung zu Unrecht erfolgt ist, können Sie auch gerichtlich gegen die Abmahnung vorgehen. Dies sollte jedoch gut überlegt sein, da ein solcher Schritt das Betriebsklima nachhaltig belasten kann.

Was, wenn der Arbeitgeber nach einer Prüfung die Abmahnung nicht zurücknimmt?

Falls der Arbeitgeber sich weigert, die unrechtmäßige Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen, bleibt Ihnen der Gang zum Arbeitsgericht. Dies ist der letzte Schritt, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt, Ihre Rechte durchzusetzen. Dabei sollte bedacht werden, dass dies das Arbeitsverhältnis nachhaltig beeinträchtigen kann.

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