Das Ende des OS-Links: Ihr Leitfaden zur Vermeidung von Abmahnungen

llustration zur Abschaffung der OS-Plattform: Frau am Schreibtisch mit Computerbildschirm, der auf einen OS-Link verweist, daneben durchgestrichener zweiter Bildschirm mit Verbotssymbol – Visualisierung der rechtlichen Pflicht zur Entfernung des OS-Links im E-Commerce ab Juli 2025.
Dr. Sener Dincer

Ein Link, der jahrelang Pflicht war, wird nun selbst zur Gefahr. Für Sie als Betreiber eines Online-Shops oder Händler auf Marktplätzen entsteht dringender Handlungsbedarf, um nicht in eine neue, teure Abmahnfalle zu tappen. Dieser anwaltliche Leitfaden erklärt Ihnen präzise alle Schritte, die entscheidenden Fristen und die gefährlichsten Fallstricke, die Sie jetzt kennen müssen.

Inhaltsverzeichnis

Was war die OS-Plattform und warum wird sie abgeschafft?

Erinnern wir uns kurz zurück: Mit der ODR-Verordnung (EU) Nr. 524/2013 führte die Europäische Kommission die sogenannte OS-Plattform ein. Die Idee war, Verbrauchern und Händlern eine zentrale Anlaufstelle für die einfache, schnelle und außergerichtliche Klärung von Streitigkeiten aus Online-Kaufverträgen zu bieten – EU-weit und ohne Anwaltszwang.  

In der Praxis erfüllte die Plattform diese Erwartungen jedoch nur bedingt. Die Resonanz bei Verbrauchern blieb gering. Stattdessen entwickelte sich die Pflicht zur Verlinkung auf die OS-Plattform zu einer der häufigsten Abmahnfallen im E-Commerce. Zahlreiche Händler wurden nicht wegen inhaltlicher Streitigkeiten, sondern allein wegen eines fehlenden, fehlerhaften oder nicht "leicht zugänglichen" Links abgemahnt. Der europäische Gesetzgeber hat die Konsequenz aus dieser Entwicklung gezogen und die Abschaffung der Plattform beschlossen.

Der Zeitplan ist entscheidend: Die zwei wichtigsten Stichtage für Händler

Der Übergang ist rechtlich heikel und erfordert ein Vorgehen in zwei Schritten. Falsches Timing kann in beide Richtungen zu einer Abmahnung führen.

Bis 19. Juli 2025: Die Pflicht zur Verlinkung bestand weiter!

Auch wenn die Abschaffung schon längst beschlossen ist: Die ODR-Verordnung und damit die gesetzliche Pflicht zur Bereitstellung des funktionierenden OS-Links blieben bis einschließlich 19. Juli 2025 in Kraft. Wenn Sie den Link vor diesem Datum voreilig von Ihrer Webseite entfernten, haben Sie gegen geltendes Recht verstoßen und können genau dafür abgemahnt werden. Handeln sollten Sie also nicht überstürzt.

Ab 20. Juli 2025: Die Pflicht zur Entfernung beginnt!

Mit dem 20. Juli 2025 wurde die ODR-Verordnung aufgehoben und die OS-Plattform endgültig abgeschaltet. Ab diesem Stichtag kehrt sich die Rechtslage um: Sie sind nun nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, den Link zu entfernen. Ein Link, der auf eine nicht mehr existierende Webseite verweist ("toter Link"), gilt als irreführende geschäftliche Handlung nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Wettbewerber und Verbände können Sie für einen verbliebenen OS-Link ab diesem Datum abmahnen.

Checkliste: Wo genau muss der OS-Link entfernt werden?

Um das Abmahnrisiko vollständig auszuschließen, müssen Sie sicherstellen, dass sämtliche Verweise auf die OS-Plattform restlos gelöscht werden. Prüfen Sie sorgfältig alle folgenden Stellen:

  • Impressum: Sowohl in Ihrem eigenen Online-Shop als auch auf allen Marktplätzen, auf denen Sie aktiv sind (z.B. Amazon, eBay, Kaufland.de).
  • Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB): Oft wurde der Hinweis auch hier platziert.
  • Separate Rechtshinweis-Seiten: Falls Sie eine eigene Seite für rechtliche Informationen oder Verbraucherinformationen haben.
  • E-Mail-Vorlagen: Überprüfen Sie automatisierte E-Mails wie Bestell- und Versandbestätigungen sowie Ihre Standard-E-Mail-Signatur.  
  • Social-Media-Profile: Kontrollieren Sie die Info- oder "Über uns"-Bereiche Ihrer geschäftlichen Profile auf Plattformen wie Facebook oder Instagram.

Wichtige Ausnahme: Diese Informationspflicht bleibt bestehen!

Achtung: Die Abschaffung der OS-Plattform bedeutet nicht das Ende aller Informationspflichten zur Streitbeilegung. Die davon unabhängigen Regelungen des deutschen Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) gelten unverändert weiter.  

Gemäß § 36 VSBG müssen Unternehmer, die am 31. Dezember des vorangegangenen Jahres mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt haben, auf ihrer Webseite und in ihren AGB weiterhin darüber informieren, inwieweit sie bereit oder verpflichtet sind, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.  

Dieser Hinweis ist von der OS-Plattform strikt zu trennen und muss beibehalten bzw. korrekt formuliert werden.

Ein gefährlicher Fallstrick: Was passiert mit alten Unterlassungserklärungen?

Der mit Abstand riskanteste und komplexeste Aspekt des OS-Link-Wegfalls betrifft Händler, die in der Vergangenheit bereits einmal wegen dieses Themas abgemahnt wurden.

Das Problem: Vertragliche Pflicht schlägt Gesetzesänderung

Wenn Sie nach einer Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung unterschrieben haben, sind Sie einen rechtsgültigen Vertrag eingegangen. In diesem Vertrag haben Sie sich – meist lebenslang – dazu verpflichtet, den OS-Link korrekt bereitzustellen. Diese vertragliche Pflicht besteht unabhängig von der gesetzlichen Lage.

 

Die Konsequenz: Vertragsstrafe trotz Gesetzesänderung droht

Hier entsteht eine juristische Zwickmühle: Wenn Sie den Link ab dem 20. Juli 2025 entfernen, handeln Sie zwar gesetzeskonform, verstoßen aber gegen Ihre vertragliche Pflicht aus der Unterlassungserklärung. Der Abmahner von damals könnte Sie daraufhin zur Zahlung der vereinbarten, oft vierstelligen Vertragsstrafe auffordern. Belassen Sie den Link, um die Vertragsstrafe zu vermeiden, riskieren Sie eine neue Abmahnung von einem anderen Wettbewerber wegen Irreführung (siehe oben).

Die Lösung: Unterlassungserklärung aktiv kündigen

Die einzige saubere Lösung aus diesem Dilemma ist die aktive Kündigung der alten Unterlassungserklärung. Aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (der gesetzlichen Pflicht) entsteht in der Regel ein Kündigungsrecht. Diese Kündigung muss jedoch formell korrekt und rechtzeitig gegenüber dem damaligen Abmahner erklärt werden. Dieser Schritt sollte bestenfalls mit anwaltlicher Beratung erfolgen, um Formfehler zu vermeiden und die Rechtslage im Einzelfall korrekt zu bewerten.

Fazit & Handlungsempfehlung: So sichern Sie sich jetzt ab

Um rechtssicher durch das Jahr 2025 zu kommen, müssen Sie als Online-Händler:in jetzt einen klaren Plan verfolgen:

  1. Aktiv werden ab dem Stichtag: Entfernen Sie ab dem 20. Juli 2025 restlos alle Links und Hinweise auf die OS-Plattform von Ihrer Website, Ihren Marktplatz-Profilen, aus AGB und E-Mail-Vorlagen.
  2. Sonderfall prüfen: Falls Sie jemals eine Unterlassungserklärung bezüglich des OS-Links abgegeben haben, ist dringender Handlungsbedarf geboten. Lassen Sie diese Erklärung umgehend von einem spezialisierten Rechtsanwalt prüfen und leiten Sie die notwendigen Schritte zur Kündigung ein.

Insbesondere der Umgang mit alten Unterlassungserklärungen ist komplex und birgt erhebliche finanzielle Risiken. Wenn Sie unsicher sind, ob Sie betroffen sind oder wie Sie vorgehen sollen, ist eine professionelle rechtliche Prüfung unerlässlich. Wir unterstützen Sie dabei, diese Übergangsphase sicher zu meistern und teure Fehler zu vermeiden. Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihrer Situation.

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