
Seit Inkrafttreten der EU-Produktsicherheitsverordnung GPSR standen diese Befürchtungen im Raum und sind nun Realität geworden: Die ersten Abmahnungen wegen Verstößen gegen die GPSR-Pflichten sind im Umlauf. Damit bestätigt sich die Sorge vieler Online-Händler, die sich mit der Umsetzung der neuen Vorschriften konfrontiert sahen. Insbesondere der "Verband Sozialer Wettbewerb e.V." (VSW) ist mittlerweile aktiv geworden und mahnt GPSR-Verstöße, wie fehlende Herstellerangaben, ab. Die Tatsache, dass ein bekannter Wettbewerbsverband wie der VSW dieses Abmahnthema aufgreift, unterstreicht die Dringlichkeit und Notwendigkeit, Maßnahmen zu ergreifen.
„Eine Abmahnung ist zweifellos ein Schock und kann zunächst Panik auslösen. Doch genau jetzt ist schnelles und besonnenes Handeln entscheidend. Das Ignorieren einer Abmahnung oder eine falsche Reaktion kann zu weiteren, finanziellen und rechtlichen Konsequenzen führen, wie einstweilige Verfügungsverfahren, Vertragsstrafen oder Unterlassungsklagen.“
Dr. Dincer, promovierter Wettbewerbsrechtler und auf die rechtliche Vertretung von Online-Händlern spezialisiert.
EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR) - Worum geht es?
Die neue EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR), offiziell als „Verordnung (EU) 2023/988 über die allgemeine Produktsicherheit“ bekannt, ist seit dem 13. Dezember 2024 in Kraft getreten und hat weitreichende Pflichten für alle Wirtschaftsakteure, insbesondere Online-Händler, eingeführt. Viele Akteure im Online-Business haben die Umstellung noch nicht vollständig vollzogen oder die Tragweite der neuen Regelungen unterschätzt.
Wer mahnt GPSR-Verstöße ab und welche Konsequenzen drohen?
Das Risiko von Abmahnungen aufgrund der GPSR ist nicht auf eine einzige Quelle beschränkt, sondern ein vielschichtiges Problem, das von verschiedenen Akteuren ausgeht.
- Wettbewerbsverbände: Organisationen wie der "Verband Sozialer Wettbewerb e.V." (VSW) sind bekannt dafür, Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht, zu denen auch die GPSR-Informationspflichten gehören, abzumahnen.
- Mitbewerber: Unternehmen, die gleiche oder ähnliche Produkte anbieten, können Verstöße gegen die Informationspflichten als unlauteren Wettbewerb abmahnen. Dies ist eine direkte Form der Durchsetzung, die aus dem Wettbewerbsrecht resultiert.
- Verbraucherschutzorganisationen: Diese Organisationen können ebenfalls Unterlassungsklagen einleiten, um Verbraucherinteressen durchzusetzen.
Besonderheit bei Marktüberwachungsbehörden: Diese staatlichen Stellen verfügen über weitreichende Befugnisse zur Überwachung und Durchsetzung der GPSR. Sie können nicht nur Bußgelder verhängen, sondern auch Verkaufsverbote aussprechen, Produkte vom Markt nehmen lassen oder Rückrufaktionen anordnen.
Dies bedeutet, dass das finanzielle Risiko über mögliche Abmahnungen hinausgeht und auch behördliche Sanktionen umfasst, die oft noch weitreichendere Auswirkungen für Händler haben können. Die Einhaltung der GPSR ist daher nicht nur eine Frage der Vermeidung von Abmahnkosten, sondern eine umfassende Notwendigkeit zur Risikominimierung.
Typische Abmahngründe im GPSR-Kontext:
Die häufigsten Gründe für Abmahnungen im Zusammenhang mit der GPSR sind auf die neuen Informationspflichten zurückzuführen:
- Fehlende Herstellerangaben: Dies ist ein sehr häufiger Grund für Abmahnungen, wie der Fall eines eBay-Händlers zeigt. Artikel 9 Abs. 6 GPSR schreibt die Angabe des Namens, der Adresse und der elektronischen Adresse des Herstellers vor.
- Fehlende Angaben zur verantwortlichen Person in der EU: Wenn der Hersteller keine Niederlassung in der EU hat, muss eine verantwortliche Person (z.B. Importeur, Bevollmächtigter) benannt und deren Kontaktdaten angegeben werden.
- Fehlende Produktidentifikation: Produkte müssen eine eindeutige Identifikation wie eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer aufweisen.
- Fehlende oder unzureichende Warnhinweise und Sicherheitsinformationen: Diese müssen in einer für Verbraucher leicht verständlichen Sprache des jeweiligen Mitgliedstaats und gut sichtbar auf dem Produkt, der Verpackung oder in Begleitunterlagen angebracht sein.
- Fehlende Produktabbildungen zur Identifizierung des Produkts.
- Allgemeine Wettbewerbsverstöße: Die Nichteinhaltung der GPSR-Informationspflichten stellt einen Wettbewerbsverstoß dar, der abgemahnt werden kann.
Prävention ist Ihr bester Schutz: So wird Ihr Online-Shop GPSR-konform.
Proaktive Umsetzung: Wer jetzt noch zögert, riskiert nicht nur Abmahnungen, sondern auch hohe Bußgelder und weitere Sanktionen. Proaktives Handeln ist nicht nur eine rechtliche Notwendigkeit, sondern stärkt auch das Kundenvertrauen und kann einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen. Unternehmen, die Transparenz und Sicherheit gewährleisten, positionieren sich als professionelle und zuverlässige Anbieter.
Detaillierte Prüfung Ihrer Produktangebote: Sind alle GPSR-Informationen vorhanden?
Führen Sie einen umfassenden Produktseiten-Audit durch. Überprüfen Sie jedes einzelne Produktangebot in Ihrem Online-Shop und auf allen genutzten Marktplätzen wie Amazon oder eBay. Stellen Sie sicher, dass alle erforderlichen Pflichtangaben (wie Herstellerdaten, ggf. verantwortliche Person, Produktidentifikation, Abbildung, Warnhinweise) eindeutig und gut sichtbar direkt im Angebotstext oder in einem eigenen, gut sichtbaren Reiter platziert sind. Eine bloße Verlinkung oder Angabe im Impressum ist nicht ausreichend.
1. Praxistipp: Die "Quasi-Hersteller"-Falle vermeiden
Ein häufig übersehener Fallstrick für Online-Händler ist die sogenannte "Quasi-Hersteller"-Regelung. Viele Händler sind sich dessen nicht bewusst, aber sie gelten selbst als Hersteller im Sinne der GPSR, wenn sie Produkte unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Handelsmarke vertreiben (oft als Private Labeling bezeichnet) oder wenn sie ein Produkt so wesentlich verändern, dass sich dessen ursprüngliche Risikobewertung ändert (z.B. durch chemische Behandlung, Umbau oder Hinzufügen neuer Funktionen). Diese Re-Klassifizierung ist von enormer Bedeutung, da sie den Händler plötzlich mit den umfassenden Pflichten eines Herstellers belastet, die weit über die eines reinen Händlers hinausgehen. Dazu gehören:
- Die Durchführung einer detaillierten internen Risikoanalyse für jedes Produkt.
- Die Erstellung und Pflege umfangreicher technischer Dokumentationen. Diese Dokumentationen müssen für mindestens zehn Jahre aufbewahrt und auf Anfrage den Marktüberwachungsbehörden zur Verfügung gestellt werden.
- Die Sicherstellung der Konformität in der Serienproduktion.
- Die Einrichtung von Kommunikationskanälen für Verbraucherbeschwerden und Unfallmeldungen.
Diese zusätzlichen Pflichten stellen erhebliche Herausforderungen dar, da sie neue interne Fähigkeiten und Ressourcen erfordern, die von einem reinen Händler möglicherweise nicht erwartet wurden. Es handelt sich um eine versteckte rechtliche Falle, die bei Missachtung schwerwiegende Compliance- und finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Zusammenarbeit mit Herstellern und Lieferanten: Die Informationskette muss stehen.
Nach der GPSR-Verordnung ist es für Händler eine Kernpflicht, sich zu vergewissern, ob Hersteller und Importeure ihren jeweiligen Pflichten nachgekommen sind. Dies bedeutet, dass alle notwendigen Informationen und Dokumente (Herstellerdaten, Sicherheitsinformationen, technische Unterlagen) von Lieferanten anfordern müssen. Zudem sollte sichergestellt werden, dass die Rückverfolgbarkeit der Produkte gewährleistet ist, um im Bedarfsfall schnell reagieren zu können.
2. Praxistipp: Digitalisierung der Compliance
Die GPSR treibt zudem die Digitalisierung der Compliance voran. Es ist unerlässlich, interne Prozesse zur kontinuierlichen Überwachung der Produktsicherheit sowie für eine schnelle Reaktion bei Mängeln oder Rückrufen zu implementieren. Angesichts des Umfangs der erforderlichen Informationen pro Produkt und der Notwendigkeit für schnelle Rückverfolgbarkeit und Reaktion ist der Einsatz von digitalen Tools oder ERP-Systemen zur effizienten Verwaltung der Produktdaten und zur Automatisierung der Compliance-Prozesse unerlässlich, insbesondere bei großen Produktkatalogen. Manuelle Prozesse sind bei diesen umfangreichen und dynamischen Datenanforderungen ineffizient und fehleranfällig. Dies bedeutet, dass die Einhaltung der GPSR nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine strategische technologische Herausforderung darstellt.
Bereits vor Inkrafttreten der GPSR haben mein Team und ich unsere Mandanten bei der Umsetzung der neuen europäischen Vorschriften bezüglich der Produktsicherheit unterstützt. Wir haben gemeinsam GPSR-Audits durchgeführt, die konkreten gesetzlichen Anforderungen geprüft und die zukünftige Einhaltung der GPSR-Anforderungen in den Geschäftsprozessen mit unseren Mandanten erarbeitet. Ziel ist es, eine rechtssicher und wirtschaftlich sinnvolle Lösung für unsere Mandanten zu bieten.
Für eine individuelle Prüfung und umfassende Unterstützung bei der Umsetzung der GPSR stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. In einem Erstgespräch können Sie gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr. Dincer den konkreten Bedarf erörtern. Wir erstellen Ihnen daraufhin für Ihr Unternehmen ein individuelles Angebot für die zeitnahe Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen.

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