
Der Fall: Ein typischer Albtraum für Amazon-Händler
Der Sachverhalt, der dem Urteil zugrunde lag, ist für viele Händler auf Plattformen wie Amazon nur allzu bekannt: Ein Spielwarenhändler (der Kläger) verkaufte Originalprodukte auf Amazon. Eine Konkurrentin (die Beklagte) reichte daraufhin bei Amazon eine Beschwerde ein und behauptete fälschlicherweise, es handle sich um Produktfälschungen. Wie üblich sperrte Amazon die betroffenen ASINs sofort.
Der geschädigte Händler versuchte mehrfach vergeblich, die Konkurrentin zur Rücknahme der Beschwerde zu bewegen. Als dies scheiterte, beauftragte er einen Anwalt, der die Konkurrentin abmahnte und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie zur Erstattung der Anwaltskosten aufforderte.
Die juristische Falle der ersten Instanz
Zunächst schien der Fall eine frustrierende, aber typische Wendung zu nehmen. Die Konkurrentin gab zwar eine Unterlassungserklärung ab, weigerte sich aber, die Anwaltskosten des Händlers zu zahlen. Ihre Begründung war rein formal: Die anwaltliche Abmahnung sei fehlerhaft, da sie nicht alle strengen Anforderungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) erfülle.
Das erstinstanzliche Gericht (Landgericht Ansbach) folgte dieser formalistischen Argumentation. Es entschied zwar, dass dem Händler grundsätzlich Schadensersatz zusteht, aber die Kosten für seine eigene Abmahnung müsse er selbst tragen.
OLG Nürnberg: Die entscheidende Wende
Das Oberlandesgericht Nürnberg hat diese formaljuristische Falltür nun mit einer klaren und praxisnahen Argumentation geschlossen. Die Richter verfolgten einen klaren roten Faden, der den Fokus vom formellen Detail zurück auf das eigentliche Unrecht lenkt: Das Gericht stellte klar, dass die ursprüngliche, falsche Meldung bei Amazon weit mehr ist als nur eine unlautere Wettbewerbshandlung. Es handelt sich um eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung, die einen direkten, rechtswidrigen und schuldhaften Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt. Dies ist eine unerlaubte Handlung (Delikt) nach § 823 Abs. 1 BGB.
Wenn der Kern des Problems ein Delikt ist, dann ist das anwaltliche Schreiben des Händlers nicht nur eine formale "Abmahnung" nach dem UWG. Es ist in erster Linie die Geltendmachung eines Schadensersatz- und Unterlassungsanspruchs aus Deliktsrecht.
Und hier liegt der entscheidende Punkt: Für die Geltendmachung eines deliktischen Anspruchs gelten die strengen formalen Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG insoweit nicht.
Was dieses Urteil für Sie als Amazon-Händler bedeutet
Diese Entscheidung ist mehr als nur ein Einzelfall. Sie etabliert eine Argumentationslinie, die Ihre Position als Händler fundamental stärkt:
- Schutz vor formalen Fallstricken: Sie müssen sich weniger Sorgen machen, dass Ihre berechtigte anwaltliche Gegenwehr an kleinen formalen Fehlern in der Abmahnung scheitert.
- Höhere Sicherheit bei der Kostenerstattung: Das Risiko, trotz eines klaren Rechtsverstoßes des Gegners auf den eigenen Anwaltskosten sitzen zu bleiben, ist (soweit man dem Urteil des OLG Nürnberg folgen möchte) gesunken. Dies senkt die Hemmschwelle, sich bei unberechtigten Sperren schnell und konsequent juristisch zur Wehr zu setzen.
- Stärkere Abschreckungswirkung: Die Entscheidung macht unlautere Sperr-Aktionen für Konkurrenten deutlich riskanter und teurer. Wer leichtfertig falsche Behauptungen aufstellt, muss nun mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur Schadensersatz leisten, sondern auch die vollen Anwaltskosten der Gegenseite tragen.
Handlungsempfehlung: So reagieren Sie richtig bei einer ASIN-Sperre
Sollten Sie selbst von einer Sperrung aufgrund einer Beschwerde eines Konkurrenten betroffen sein, empfehlen wir folgendes Vorgehen:
- Ruhe bewahren und dokumentieren: Handeln Sie nicht überstürzt. Sichern Sie alle relevanten Informationen: die Benachrichtigung von Amazon, die Beschwerdenummer, Screenshots des Listings und der Kommunikation.
- Fakten prüfen: Stellen Sie sicher, dass die gegen Sie erhobenen Vorwürfe tatsächlich haltlos sind. Halten Sie Nachweise wie Rechnungen, Konformitätserklärungen oder Lizenzverträge bereit, die die Originalität und Rechtmäßigkeit Ihrer Produkte belegen.
- Professionelle Hilfe suchen: Zögern Sie nicht, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wie der Fall zeigt, sind die juristischen Feinheiten entscheidend. Eine spezialisierte Kanzlei kann den Sachverhalt schnell einordnen, die richtigen rechtlichen Schritte einleiten und dank der neuen Rechtsprechung Ihre Schadensersatzansprüche, einschließlich der Anwaltskosten, effektiv durchsetzen.
Fazit: Ein Sieg für den fairen Wettbewerb auf Amazon
Das Urteil des OLG Nürnberg ist eine gute Nachricht für alle ehrlichen Amazon-Händler. Es schiebt unfairen Taktiken einen Riegel vor und stärkt Ihre Position im Falle einer unberechtigten ASIN-Sperre.
Als auf Amazon-Recht spezialisierte Kanzlei kennen wir die Mechanismen der Plattform und die notwendigen juristischen Schritte. Wir helfen Ihnen, Ihre Angebote schnellstmöglich wieder freischalten zu lassen und setzen Ihre Ansprüche auf Schadensersatz und Kostenerstattung konsequent durch. Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Erstberatung.

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